
Wie reagiert man auf Krisenstimmung? Es braucht mehr als nur „Wir riechen Banalitäten in dir“, sagt Gründungsberaterin Nadine Müller-Eckel.

Der Autor ist Head of Strategy bei der Agentur Anomaly Berlin, die Kunden wie Hinge, Google, Zalando, Tiktok und Rimowa strategisch und kreativ unterstützt. Außerdem ist sie Mitglied im Beirat des Klima-Startups Klim und Mentorin beim Berlin Founders Fund.
Das Jahr 2022 ist ein Jahr großer Umbrüche. Global, als Nation, für Unternehmen und für jeden Einzelnen. Die Agentur Anomaly Berlin hat in einer Umfrage untersucht, was die großen Fragen sind, die die Deutschen bewegen. Wie nehmen Sie den Beginn des neuen Jahres wahr? Und wie wirkt sich die Stimmung auf Unternehmen aus?
Anhand von sechs Fragen lässt sich zeigen, warum eine Zeitwende auch für Startups eine Zukunftswende bedeutet. Die Antworten zeigen, wie Unternehmen aktiv auf den allgegenwärtigen Pessimismus reagieren, echte Werte schaffen und in einem von Rezession und wirtschaftlichen Herausforderungen geprägten Jahr erfolgreich sein können.
Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie „Pulse – Was Deutschland bewegt“:
Frage 1: Wie kommen wir aus der Krisenlähmung heraus?
Der Krisenzustand ist zur neuen Normalität geworden. Ein Fünftel aller Deutschen sind zugewachsen. Für weitere 30 Prozent bleibt nur, die Situation pragmatisch zu lösen. Viele machen sich Sorgen, fühlen sich nicht in allen Bereichen im Gleichgewicht und verschieben ihre Pläne.
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Wo Krisenlähmung herrscht, können Startups helfen, Kaufentscheidungen souverän zu treffen – statt banale „We feel you“-Botschaften zu verbreiten. Indem sie Loyalität belohnen, Bonusprogramme ganzheitlich verstehen, Cash-Back-Aktionen nicht nur saisonal einsetzen und Flexibilität durch Abo-Modelle schaffen – Mobilitätsmarken wie Free Now und Dance machen es vor.
Frage 2: Welche Mehrwerte sind uns wirklich etwas wert?
Die Energiekrise manifestiert sich in allen Lebensbereichen. Es betrifft jeden von uns anders, aber Sparen gehört bereits zum Alltag. 70 Prozent haben bereits im September mit dem Energiesparen begonnen. Fast die Hälfte von uns gibt im Alltag weniger Geld aus – vom Menü bis zur Schokoladenauswahl. Meistens handelt es sich dabei eher um alltägliche Entscheidungen als um existenzielle Bedürfnisse.
Hier können Start-up-Marken einen emotionalen Unterschied machen, wenn ihr Versprechen über den rationalen Nutzen des Produkts hinausgeht – zum Beispiel, wenn ein Medikamentenlieferdienst das Gesundheitsmanagement entlastet (Mayd) oder wenn die Dinge, die Ihnen wichtig sind, einfach sind vor dem Land Door (Arive).
Frage 3: Wie prägt unser Verhältnis zur Arbeit das Leben?
Deutschland erwacht aus seinem Wartungsschlaf. Innovationen in allen Lebensbereichen sind längst notwendig. Vielversprechende Ansätze wie der von Unicorns in der Digital- und Finanzbranche sind ein Anfang. Das Verhältnis zur Arbeit verändert sich mit der Wirtschaft. Mehr Menschen denn je wollen weniger, vielfältiger und in immer neuen Bereichen arbeiten.
Startups haben hier eine große Chance, Vorreiter von Made in Germany 2.0 zu werden. Mit Blick auf die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und auch darauf, wie sie die Zukunft der Arbeit gestalten werden.
In Mitarbeiter als Markenbildner zu investieren bedeutet für Start-ups, in die Zukunftsfähigkeit der Marke zu investieren. Wer das nicht tut, wird schnell bestraft – siehe Gorillas oder N26.
Frage 4: Was können Marken aufnehmen, was der Staat nicht kann?
Gute Nachrichten: Der Glaube an die Demokratie ist noch intakt. Das Schlechte: Fast zwei Drittel sind unzufrieden mit ihrer Arbeitsweise. Der Wunsch nach Veränderung ist groß. Allein in Berlin stieg die Zahl der Demonstrationen von 4.174 im Jahr 2011 auf 6.817 im Jahr 2021.
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Startups können hier den Wandel beschleunigen: Entweder indem sie Nachhaltigkeit zu einem Kernprinzip machen, wie Einhorn, oder sich auf sozialen Konsum konzentrieren, wie Share.
Frage 5: Was tun gegen Spaltung?
Die soziale Spaltung ist ein beherrschendes Thema. Und obwohl Deutschland nie eine Nation war, die von Stolz getrieben wurde, machen es seine starken Werte immer noch zu einem Land der Vielen. Wir erleben es, wenn Menschen in entscheidenden Momenten aufstehen. „Warum nicht?“ Sagen wir mal 62 Prozent über zwei Tage bürgerschaftliches Engagement pro Monat.
Die Startup-Szene kann hier eine große Bereicherung sein, wenn es darum geht, Communities zuzuhören, ihnen eine Plattform zu geben oder sogar „we feel“-Bewegungen wie Nebenan.de und Mybuddy auf der Plattform- oder Aktionsebene von Flixbus zu schaffen.
Frage 6: Was spricht gegen die Stimmung der letzten Zeit?
Die Schrecken der Welt werden nicht nur von den Nachrichten dominiert; Überschwemmungen, Cyberangriffe und Dürren sind längst zur neuen Realität geworden. Nur neun Prozent der Deutschen fühlen sich emotional sehr belastbar, 17 Prozent fühlen sich schlecht. Jungtiere sind am stärksten betroffen. Ihr Leben ist geprägt von Krisen, die nicht nur ausgehalten, sondern auch mit der Verantwortung für Veränderungen belastet werden müssen.
Für Gen Z und Alpha können Startups die lang ersehnte Problemlösung für anstehende Zukunftsaufgaben sein. Vor allem aber können sie einen Raum für Spielfreude und Erleichterung schaffen: sei es durch die Gamifizierung von Produkten (Babbel), gemeinsame Erlebnisse (Komoot) oder die Herausbildung von Pop- und Sozialkultur (Female Company).
Tatsache ist, dass dunkle Zeiten unerhörte Köpfe erfordern. Sie erfordern die Bereitschaft, echte Veränderungen vorzunehmen. Es ist leicht, sich hilflos zu fühlen. Gegenwind erfordert Mut. Die Zukunft braucht innovative Denker und neue Ideen. Und Startups sind dazu bestimmt, diese Ideen in die Welt zu tragen und die Zukunft zu gestalten.
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