
“Kriminelle Organisation”? Durchsuchung des Hauses von “Last Generation”-Aktivisten
Selbsternannte Klimaaktivisten machen Razzien in sechs Bundesländern
In mindestens sechs Bundesländern sind Polizei und Staatsanwaltschaft hart gegen Klimaprotestierende der Gruppe „Last Generation“ vorgegangen. Betroffen waren Wohnungen und andere Räume in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.
In mehreren Teilen Deutschlands durchsucht die Polizei die Wohnungen von Klimaaktivisten. Es wird behauptet, dass sie eine kriminelle Vereinigung gebildet haben. Anlass der Ermittlungen war offenbar der Protest gegen die Gasleitung.
EINAm Dienstagmorgen durchsuchte die Polizei elf Wohnungen von Aktivisten der Klimaprotestgruppe Last Generation. Die Ermittlungen leitet laut WELT die Staatsanwaltschaft Neuruppin. Generalstaatsanwalt Cyril Klement sagte, der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Neuruppin werde bundesweit vollstreckt. Gesucht werden laut Last Generation unter anderem Wohnungen in Bayern, Hessen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und laut WELT in Brandenburg.
Auslöser der Ermittlungen scheint die Sabotage der „letzten Generation“ an der Pipeline in Schwedt gewesen zu sein. Dort haben Aktivisten seit dem Frühjahr mehrfach versucht, den Ölfluss zu stoppen. Die betroffene PCK-Raffinerie sagte, sie habe Aktivisten im Oktober einen Dialog angeboten. Die Proteste am Pumpwerk unterbrachen jedoch die ergebnislosen Verhandlungen.
Laut Clement, einem Oberstaatsanwalt, gibt es auch eine Anklage wegen Gründung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach Artikel 129 des Strafgesetzbuchs. Bereitet sich der Beschuldigte mehrfach auf eine Straftat vor, besteht der Verdacht, dass sich eine kriminelle Vereinigung gebildet hat.
Untersuchungen zeigen, dass die Behörden ihre Beziehung zu den Aktivisten geändert haben. Kürzlich kam die Generalstaatsanwaltschaft Berlin zu dem Schluss, dass es sich bei der „letzten Generation“ nicht um eine kriminelle Vereinigung handelt. Kurz darauf beschlossen die Innenminister der Länder, ein nationales Lagebild zu den Protesten der Gruppe zu erstellen.
Kritik an Neubauer
§ 129 StGB ist in Deutschland nicht unumstritten. Kritiker nennen es einen “stinkenden Absatz”. Wenn Behörden die Struktur einer kriminellen Vereinigung aufklären, eröffnen sich unter Umständen vielfältige Möglichkeiten. Ermittler können dann Telefone und Abhörräume abhören und Personen verfolgen. Aber nur etwa fünf Prozent aller bundesweiten Section-129-Ermittlungen führen zu einer Anklage.
Aimee van Baalen, Sprecherin von „The Last Generation“, sagte über Suchen: „Alles nur, weil die Bundesregierung gegen unsere Verfassung verstößt und das Pariser Abkommen immer noch nicht einhält, und diese Leute deswegen auf die Straße gehen.“ Sich in der Öffentlichkeit versammeln, sich als Gruppe vereinen und protestieren. Wenn dieses Prinzip kriminalisiert wird, bedroht es die Grundlagen der Demokratie.“
Auch eine der prominenten deutschen Klimaaktivisten, Louise Neubauer, bezeichnete die Durchsuchungen als „unendlich unverhältnismäßig“ und einen „absurden Akt“.
Die Ermittlungen richten sich offenbar unter anderem gegen Last-Generation-Sprecherin Carla Hinrichs. Hinrichs twitterte: „Dass die Polizei deinen Kleiderschrank durchsucht, ist beängstigend. Aber denkst du wirklich, wir hören jetzt auf?“
Hinrichs an einer Straßensperre in Berlin
Quelle: Getty Images/Sean Gallup
Aktivisten der „Last Generation“ haben seit dem Frühjahr wiederholt die Ölversorgung der Raffinerie PCK Schwedt an Pumpstationen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg unterbrochen. In einigen Fällen war es nur ein Versuch. Dafür gingen die Aktivisten in die Pumpstationen. Mit 1.200 Arbeitsplätzen ist die PCK Schwedt die wichtigste Mineralölraffinerie für ostdeutsche Tankstellen.
Im November wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Dresden die Wohnungen mehrerer Aktivisten durchsucht. Sie werden der Sachbeschädigung verdächtigt. Ihnen wird vorgeworfen, im August in Dresden die Sixtinische Madonna in einen Rahmen gesteckt zu haben. Der Sachschaden belief sich auf 4.000 Euro.