
2016 stimmte eine Mehrheit der Briten für den Brexit – seitdem hat Großbritanniens Bedeutung für den deutschen Handel abgenommen. Die Unsicherheit bleibt hoch. Das hat nun historische Konsequenzen.
Großbritannien wird nach dem Brexit als Handelspartner für Deutschland immer unwichtiger. In diesem Jahr fällt Großbritannien erstmals in der jüngeren Geschichte aus den zehn wichtigsten Handelspartnern Deutschlands heraus. Das geht aus einer Analyse der Bundesgesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in London vorliegt.
Der kalender- und saisonbereinigte Warenaustausch wuchs zwischen Januar und Oktober im Vergleich zum Vorjahreszeitraum vor allem inflationsbedingt um 13,7 Prozent. Der gesamte deutsche Warenaußenhandel legte im gleichen Zeitraum jedoch um 20,7 Prozent zu. Zuletzt hat Tschechien Großbritannien im Ranking der wichtigsten Handelspartner überholt. Der Vorsprung sei „signifikant und im November und Dezember kaum aufzuholen“, kommentierte GTAI.
Die Bedeutung des Königreichs nimmt stetig ab
„Die langsame Entwicklung im deutsch-britischen Außenhandel ist kein neuer Trend“, betont der Bericht. Seit 2017 – dem ersten vollen Jahr nach dem Brexit-Referendum – nimmt die Bedeutung des Vereinigten Königreichs stetig ab. Damals war es noch der fünftwichtigste Außenhandelspartner.
Es gab andere Gründe für den Brexit. „Sowohl die Coronavirus-Pandemie als auch die durch Energiepreise getriebene Inflation und Änderungen in der Geldpolitik der Bank of England haben den britischen Wirtschaftsmotor aus dem Takt gebracht“, sagte er. „Die Folgen des Brexits verstärken den Effekt, weil der Handel über die Zollgrenze teurer geworden ist“, sagt GTAI. Es herrscht noch Unsicherheit. „Knapp drei Jahre nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist der wirtschaftspolitische Kurs des Landes nach dem Brexit immer noch unklar und verwirrt britische Unternehmen.“
Schwierigkeiten durch den Brexit
Großbritannien hat die Europäische Union Ende Januar 2020 verlassen und ist seit Januar 2021 kein Mitglied der EU-Zollunion und des EU-Binnenmarktes. Das Last-Minute-Handelsabkommen Brexit sichert Zollfreiheit in vielen Bereichen. Allerdings gibt es aufgrund erhöhter bürokratischer Anforderungen Schwierigkeiten beim Handel. Auch die Einführung teurer und zeitaufwändiger Arbeitsvisa für Fachkräfte erschwert die Zusammenarbeit.
Auch der Ausblick für 2023 macht laut GTAI etwas Hoffnung, zumal die Notenbank glaubt, dass Großbritannien auf eine lange Rezession zusteuert und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen noch zurückhaltender sein dürfte. Dies betrifft die Lieferung von Fahrzeugen, Industriemaschinen und chemischen Produkten, bei denen Deutschland einer der wichtigsten Lieferanten ist. „Angesichts einer sich abzeichnenden Rezession, steigender Finanzierungskosten und einer Erhöhung der britischen Körperschaftssteuer von 19 % auf 25 % im April 2023 gibt es keine Anzeichen für eine Änderung“, heißt es in dem Bericht.
Hoffnung liegt im Geschäft mit Elektroautos
Besonders interessant für deutsche Unternehmen sind einige kleinere Branchen, die sich trotz der wirtschaftlichen Probleme deutlich stärker entwickelt haben. Dazu gehörten das Gesundheitswesen, die Offshore-Windenergie und der Infrastrukturbau. Aus der wichtigen Autoindustrie, der wichtigsten Säule des deutsch-britischen Handels, nimmt die GTAI gemischte Signale wahr. Wenn der britische Automarkt 2023 tatsächlich deutlich wachse, könne das eine Trendwende bedeuten, sagte er. Elektroautos sind ein wichtiger Treiber, der Verkauf von Neuwagen mit klassischen Verbrennungsmotoren soll ab 2030 verboten werden. Hier stellt sich die Frage, ob Großbritannien rechtzeitig genug sogenannte Gigafactories für die Batterieproduktion bauen kann. (dpa)