
Stand: 17.12.2022 14:40
Spektakuläre Diebstähle wie im Grünen Gewölbe oder Kartoffelpüree-Attacken radikaler Klimaschützer: Brauchen Museen einen besseren Schutz für ihre Kunstwerke? Wie werden Schätze eigentlich gesichert?
Es war der größte keltische Schatz, der im 20. Jahrhundert gefunden wurde. Fast vier Kilo Gold. Wissenschaftlicher Wert: von unschätzbarem Wert. Auch drei Wochen nach dem Diebstahl des Manchinger Schatzes gibt es keine Spur, wo er geblieben ist. Ein Schock für die Marktgemeinde, der der Schatz gehörte. Aber auch für alle anderen Museen in Deutschland. Was hat gefehlt? Wie sicher sind Kunst- und Kulturgüter? Und: Stimmt es, dass viele Museen überhaupt keine Versicherung haben?
Ob Berlin, Dresden oder Manching: Alle Museen teilen sich das Raubrisiko. Diebe sind organisiert, professionell und mutig. Viele Museen schweigen zu diesem Thema jedoch lieber. Auf Wunsch von tagesschau.de In zwei Dutzend Institutionen gibt es kaum eine Antwort oder oft nur die: Sie wollen nicht über Sicherheit sprechen.
Einige Sicherheitssysteme sind miteinander verbunden
Einige gaben jedoch Auskunft, zum Beispiel das Landesmuseum in Hannover. Die Gefahr des Diebstahls wird sehr ernst genommen. Es gibt einen 24-Stunden-Sicherheitsdienst und ein neues Alarmsystem. Die wertvollsten Objekte befinden sich auch in den Sicherheitsvitrinen. „Nach dem Überfall in Dresden gab es für solche Vitrinen Sondermittel“, sagt Pressesprecherin Nicola Kleinecke.
Das Landesmuseum Hannover hat seine Sicherheitsmaßnahmen verstärkt.
Bild: Landesmuseum Hannover
Einen 100-prozentigen Schutz werde es aber nicht geben, sagt Sonja Mißfeldt, Medienreferentin im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. „Museen haben die Pflicht, Kulturgüter zu schützen und zu bewahren, aber auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das wollen wir auch weiterhin tun.“
Es gebe mehrere ineinandergreifende Sicherheitssysteme, sagt Mißfeldt: “Bauliche Maßnahmen, mechanische Schutzmaßnahmen, ein modernes Überwachungssystem sowie Menschen, die für die Sicherheit unserer Anlagen verantwortlich sind.” Sicherheitspersonal ist jederzeit vor Ort. Das alles kostet viel Geld. Auch ein erfolgreiches Museum wie das Germanische Nationalmuseum bräuchte zusätzliche Mittel für die Sicherheit.
In der Sicherheitsbranche herrscht Personalmangel
„Natürlich verzichten wir nicht auf Menschen. Es gibt Wachen: 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr“, gibt Frank Matthias Kammel, Direktor des Bayerischen Nationalmuseums in München, zu.
Nach dem Diebstahl im Historischen Grünen Gewölbe wurden im Sicherheitsbereich der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) in Dresden bauliche, technische, organisatorische und personelle Veränderungen vorgenommen. Nach 2019 kam eine 24/7-Überwachung hinzu. Allerdings weist SKD-Sprecher Holger Liebs darauf hin, dass „der Sicherheitsbranche derzeit bundesweit rund 12.000 Beschäftigte fehlen“. Die Pandemie hat die Situation verschlimmert.
Der Überfall auf das Grüne Gewölbe hat gezeigt, wie anfällig Sicherheitssysteme sein können.
Bild: Staatliche Kunstsammlungen Oliver Killig/Dresden
Hausverbote für Klimaaktivisten
Aber nicht nur Raubüberfälle, auch tätliche Angriffe radikaler Klimaaktivisten stellen Museen vor Herausforderungen. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden beobachten die nationale und internationale Sicherheitslage im Museum. Schon nach den ersten Aktionen wurden Maßnahmen zum Schutz der Kunstwerke umgesetzt, wie der Kuchenwurf auf die Mona Lisa im Louvre in Paris und Kletteraktionen in London und Glasgow. „Zu den Maßnahmen gehören das Polieren gefährdeter Werke, das Verbot von Taschen, Jacken und Mänteln sowie die laufende Schulung des Aufsichtspersonals“, berichtet Pressesprecherin Anja Priewe.
Aktivisten der “Letzten Generation” wurde der Zutritt zu allen Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verweigert. „Aber letztlich, wenn der Museumsauftrag erfüllt werden soll, lassen sich solche Schmutzkampagnen nicht zu 100 Prozent verhindern, ohne den Museumsbetrieb unzumutbar einzuschränken“, sagt Priewe. „Eine Präsentation von Kunstwerken zeigt diese in ihrer Verwundbarkeit, die kein Sicherheitskonzept vollständig kompensieren kann. Daher liegt das Hauptaugenmerk auf der bestmöglichen Vermeidung von Schäden am Kunstwerk und der Vermeidung von Folgeschäden.“
Im August kletterten zwei Aktivisten in den Rahmen von Raffaels Sixtinischer Madonna in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden.
Bild: dpa
Aufgrund föderaler Strukturen gibt es bundesweit keine einheitliche Zuständigkeit für die Museumssicherheit. In den meisten Bundesländern berät das zuständige Landeskriminalamt Museen. Aber was Museen dann umsetzen, entscheiden sie meist eigenständig. Die Diebstähle in Berlin, Dresden und Manching zeigen, dass jedem Museum geraten ist, sein Sicherheitskonzept regelmäßig zu überprüfen.
„Das Undenkbare erhellen“
Die Allianz Versicherungsgruppe ist einer der größten Kunstversicherer in Deutschland. Ihr Rat: Gehen Sie immer vom „Worst-Case-Szenario“ aus, wenn Sie versuchen, einen Diebstahl zu verhindern. „Meine Empfehlung ist, bei einer Versicherungsprüfung immer auf das Undenkbare zu schauen“, sagt Eric Wolzenburg, Leiter Kunstversicherung bei der Allianz. „Eigentlich unvorstellbare Diebstähle können nur mit speziellem Insiderwissen geplant und durchgeführt werden. In Dresden und Manching war in beiden Fällen auch die Infrastruktur außerhalb der Museumsgebäude betroffen, weshalb es sich um einen Ansatz handelt, bei dem Aspekte des Risikos von vornherein berücksichtigt werden zu beenden. wichtig für mich.“
Wolzenburg rät Museen dringend, eine Nachtwache zu haben und sich nicht allein auf die Technik zu verlassen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass das auf Dauer immer schief geht.“ Auch Insiderwissen sei ein „erheblicher Risikofaktor“. Im Bereich Kunst- und Ausstellungsversicherungen führt er mittlerweile jährlich mehrere hundert Gespräche.
Museumsdirektor Kammel rät nach Manchings Erfahrungen: „Evaluieren Sie das betreffende Haus und seine Sicherheit regelmäßig gemeinsam mit Experten der Kriminalpolizei. Lernen Sie aus Fehlern, neuen Situationen und bisher unbekannten kriminellen Machenschaften und reagieren Sie darauf mit konkreten Maßnahmen.“
Frank Matthias Kammel rät zu einer regelmäßigen Überprüfung des Sicherheitskonzepts.
Bild: Bastian Krack/Bayerisches Nationalmuseum in München
Sicher ist sicher
Überraschend ist, dass viele Museen in Deutschland ihre Schätze überhaupt nicht gesichert haben. „Landesmuseen haben eine besondere Struktur. Hier liegt die staatliche Verantwortung“, sagt Kleinecke vom Landesmuseum Hannover. Für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gilt der Grundsatz der Selbstversicherung. Die Sachen sind nicht privat versichert, aber auch hier greift der Freistaat Sachsen im Schadensfall ein. Die sogenannte Länderverantwortung gilt in der einen oder anderen Weise für alle staatlichen Institutionen in den Ländern und dem Bund.
Die Selbstversicherung gilt jedoch nicht für Kreditgeschäfte. Hier werden Gewerbeversicherungen abgeschlossen. „Wie Museen mit Versicherungen umgehen, hängt von den einzelnen Museen ab“, sagt Kammel. „Langfristige Leihgaben und Vorschüsse sind immer gesichert, darunter auch eine Auswahl der museumseigenen Bestände. Die Sicherung aller Bestände des Museums wäre wohl für jeden Museumssponsor zu viel des Guten.“
Ohne Angaben zur Versicherungssituation im Germanischen Nationalmuseum zu machen, sagt Mißfeldt: „Die Frage ist, was Sie mit einem Entschädigungsbetrag der Versicherung machen wollen. Einen neuen Goldschatz aus Manching kaufen? dh . -Der historische Wert ihrer Exponate ist in der Regel erheblich über dem materiellen Wert. Die Objekte sind irreversibel, einzigartig und daher unbezahlbar. Dieser Verlust kann nicht mit Geld ausgeglichen werden.“ Viele Museen sagen, ohne zitiert werden zu wollen: Lieber mehr Geld in Sicherheit investieren als in Versicherungen.
Sicherheitsanleitung
Museen können sich gegen Schäden durch Klimaaktivisten versichern, sagt Versicherungsexperte Wolzenburg. “Durch das besondere Versicherungskonzept einer Ausstellungsversicherung können Schäden oder sogar Zerstörungen von Kunstwerken vollständig abgedeckt werden.” Kunstwerke werden laut Wolzenburg immer beschädigt, entweder durch vorsätzliche Handlungen oder durch unbeabsichtigte Beschädigung oder Zerstörung. „Die vorsätzliche Beschädigung oder Zerstörung eines Kunstwerks ist immer noch eine sehr seltene Ausnahme geblieben, daher sind die meisten Schäden, die wir in der Kunstversicherung zahlen, auf Fahrlässigkeit zurückzuführen.“
Der Deutsche Museumsbund hat einen Sicherheitsleitfaden herausgegeben, der heute viel gelesen wird. Museen sprechen nicht gerne über ihre Sicherheitskonzepte. Nur einen Satz hört man immer wieder: 100%ige Sicherheit gibt es nicht.