
Erstmals präsentiert IDnow den „Digital Identity Index 2023“. Die Studie gibt Aufschluss über die Akzeptanz digitaler (Ausweis-)Verfahren in Deutschland. Für den Index wurden 2.040 Erwachsene in einer repräsentativen Umfrage mit YouGov befragt.
Die große Mehrheit der Deutschen stört sich laut Umfrage an langen Wartezeiten bei der Bearbeitung von analogen Prozessen und Anträgen (59 %). Als lästig werden starre Fristen und eingeschränkte Öffnungszeiten (58 %) sowie der Gang zum zuständigen Amt, zur Bank oder Institution (40 %) empfunden. Darüber hinaus stören sich 26 Prozent am Druck von Dokumenten und 20 Prozent am Papierverbrauch. Die Adaption digitaler Methoden hinkt noch hinterher, obwohl in der Bevölkerung der Wunsch nach mehr digitalen Angeboten besteht.

Digitale Services: Wunsch versus Realität
So wünschen sich beispielsweise zwei Drittel (66 %) der Deutschen mehr digitale Verwaltungsverfahren. Bisher haben dies jedoch nur neun Prozent getan. Die Hälfte der Bevölkerung (50 %) möchte zudem das Gesundheitsbuch digital einsehen oder ein digitales Krankmeldungszeugnis zusenden. Beides ist möglich, aber derzeit nutzen es nur 16 Prozent der Bevölkerung.
Auffallend ist auch der Widerspruch zwischen dem Abschluss von Verträgen für Banken oder Versicherungen und dem Abschluss von Miet- oder Arbeitsverträgen. Während mehr als 60 Prozent der Befragten bereits digitale Verträge mit Banken oder Versicherungen nutzen oder dies gerne tun würden, schließen nur sechs Prozent der Miet- und Arbeitsverträge diese digital ab; 40 Prozent wollen diese Verträge nicht digital abschließen. Daher ist die dafür eingesetzte qualifizierte elektronische Signatur (ZEP) nicht sehr weit verbreitet. Bisher haben es nur sechs Prozent der Deutschen genutzt.

Popularität von Remote-Identifizierungsmethoden
Während QES noch ein Nischenmarkt ist, haben viele Deutsche den digitalen oder Remote-Identifikationsprozess bereits mehrfach durchlaufen. Am weitesten verbreitet sind die Identifizierung vor Ort bei der Post (40 %), das VideoIdent-Verfahren im Videointerview mit einer Person (38 %) und vollautomatisierte Foto-/Selfie-Identifizierungsverfahren (14 %). Andererseits wird die eID-Funktion des deutschen Personalausweises auch zehn Jahre nach ihrer Einführung kaum genutzt: Nur acht Prozent haben sie schon einmal genutzt. Damit werden private Lösungen von den Nutzern gegenüber der staatlichen eID klar bevorzugt. Identity Wallets, wie sie derzeit unter anderem auf EU-Ebene diskutiert werden, werden bisher nur von einem Prozent der Bevölkerung genutzt.

Mangelndes Verständnis für eIDAS 2.0, eID und digitale Identitäten
Laut Umfrage hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung (52 %) keine klare Vorstellung davon, was „digitale Identität“, „qualifizierte elektronische Signatur“ oder „eID“ bedeutet. Hinten im Verständnis liegen die Begriffe „EuID“ (4 %) und „eIDAS 2.0“ (2 %).
„Wenn wir bedenken, dass die eIDAS 2.0-Verordnung weitreichende Auswirkungen auf die fortschreitende Digitalisierung in unserem täglichen Leben haben wird, ist es überraschend, dass die EU-Debatte von den Endnutzern noch nicht wahrgenommen wird. Sowohl der Staat als auch die Privatwirtschaft müssen hier noch viel Aufklärungsarbeit leisten, damit sich die EuID nicht wie die deutsche eID auf Dauer durchsetzt und aus dem Bewusstsein der Nutzer verschwindet“, erklärt Dr. Heinrich Grave, Senior Vice President Digital Identity bei IDnow.

Identity Wallets: Treuhandunternehmen aus Deutschland
Aus Sicht der deutschen Bevölkerung sind die Hauptargumente gegen die geplanten Identitäts-Wallets – ein Kernelement der eIDAS 2.0-Verordnung – unzureichende Datensicherheit gegen Identitätsmissbrauch oder -fälschung (44 %), gezielte Hackerangriffe (43 %) und Verlust oder Fehlfunktion des Smartphones (41 %). Etwa jeder Dritte befürchtet zudem die Überwachung von Unternehmen (31 %) oder des Staates (27 %). Diese Bedenken spiegeln sich in den Auswahlkriterien für ein Identity Wallet wider: Für die Deutschen sind Sicherheit (55 %) und Datenschutz (46 %) am wichtigsten. Für 36 Prozent ist die Benutzerfreundlichkeit ein wichtiges Auswahlkriterium.
Sowohl für die Kriterien Sicherheit als auch Benutzerfreundlichkeit eines Identity Wallets spielt der Firmenstandort eine große Rolle. Die Bevölkerung steht Nicht-EU-Unternehmen skeptisch gegenüber. Nur vier Prozent vertrauen darauf, dass sie gleichzeitig ihre Daten sicher verarbeiten und ein benutzerfreundliches Erlebnis bieten. 28 Prozent trauen deutschen Unternehmen zu, die Balance zwischen Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit zu finden. Weitere 26 Prozent glauben, dass rein staatliche Einrichtungen oder Behörden aus Deutschland diese Kriterien in einem Identitäts-Wallet erfüllen könnten.

„Unser Digital Identity Index 2023 zeigt, dass es in Deutschland insbesondere im EU-Vergleich noch Luft nach oben bei der Nutzung digitaler Dienste gibt. Aus Angst oder Unwissenheit entscheiden sich Anwender oft noch für analoge Verfahren, wo längst digitale Verfahren zur Verfügung stehen. Aufgrund der bevorstehenden Änderungen, die Identity Wallets in der gesamten EU mit sich bringen werden, ist es daher äußerst wichtig, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit in Einklang zu bringen. Nur so können Politik und Wirtschaft ein Zukunftssystem für digitale Identitäten schaffen und die Bundesbürger von seinen Vorteilen überzeugen“, ergänzt Heinrich Grave.
Über das Studium:
Die Umfrage basiert auf Online-Interviews mit Mitgliedern des YouGov Panel Deutschland. Zwischen dem 6. und 8. Dezember 2022 wurden insgesamt 2.040 Personen befragt. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die Bevölkerung ab 18 Jahren in Deutschland.
Der vollständige Digital Identity Index 2023 Deutschland steht hier als PDF-Bericht zum Download bereit.
www.idnow.io