
Die Zürcher Arthouse-Gruppe gibt Alba und Uto auf. Damit dürfte das Ende dieser traditionellen Theater als Spielstätten eingeläutet werden – und fast ein Jahrhundert Kinokultur wird beerdigt.

Uto prägt seit fast hundert Jahren die Zürcher Kinolandschaft.
Das Kino in seiner klassischen Form liegt nicht auf dem Sterbebett, wohl aber auf dem Krankenbett. Diese Diagnose erinnert sich schmerzlich an jeden, der hier und da eine Leinwand verschwinden sieht. Und nun in Zürich zwei der charakteristischsten Säle, die als Teil der Arthouse Commercio Movie AG für die guten Tage des Studiofilms stehen: Diese geben die über sechzigjährige Alba ebenso auf wie den bald hundertjährigen Uto.
Der Abspann folgt Ende Jahr im zentrumsnahen Alba und Ende März 2024 im Uto in der Kalkbreite. Die Fälle sind jedoch anders: Die seit fünfzig Jahren bestehende Arthouse-Gruppe wird nicht Bestand haben den auslaufenden Pachtvertrag in Alba nicht mehr. Die von außen leicht zu übersehende Location hat an Attraktivität verloren – schon vor Corona wurde dieses herzliche Angebot oft mit etwas Nase geteilt. Und so schön die Halle auch ist: Die Lobby ist fast größer als auf den Punkt gebracht, Platz für bauliche Veränderungen ist kaum vorhanden und teure Instandhaltungsarbeiten stehen bald an.
Kino, neu definiert
Etwas anders sieht es bei Uto aus, obwohl es nicht gerade als Hotspot der Kinoszene bekannt ist: Im Frühjahr 2024 wird das Objekt saniert, eine spätere Wiederaufnahme des Betriebs hat die Arthouse-Gruppe beantragt Kino (laut Berichten durch eine Bar ergänzt). „Allerdings hat sich der Eigentümer gegen einen Kinostandort ausgesprochen, was uns sehr leid tut“, teilte der Konzern am Mittwoch mit.

Die stilisierte Grimasse ist eines von Utos Symbolen.

Die Lobby des Uto-Kinos erinnert entfernt an einen Kiosk.
Die stilisierte Grimasse ist eines der Highlights von Uto, dessen Lobby einem Kiosk gleicht.
Dass die Insolvenz des Kulturhaus Kosmos erst in der Schlussphase der Antragsfrist bekannt wurde, könnte die Entscheidung der PK Rück als Eigentümerin beeinflusst haben. Der Arthouse-Konzern selbst betont, dass er weiterhin an die Kraft des Kinos glaubt und sich mit den getroffenen Maßnahmen auf seine Zukunft vorbereitet. Es zeigt auch die schwierige Ausgangslage der Branche: 2022 war die Besucherzahl des Landes um fast ein Drittel eingebrochen und der Arthouse-Sektor mit einem Rückgang von fast 45 Prozent überproportional betroffen.
Und da davon auszugehen ist, dass die Pandemie das Verhalten des Publikums für immer verändert hat, muss der Kinobesuch „neu definiert“ werden. Der Film auf der großen Leinwand bleibt im Mittelpunkt, aber noch wichtiger ist das Vorher und Nachher, in das der Kinobesuch eingebettet ist. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich die Gruppe nun zwei Säle teilt, die keine eigene Gastronomie im Haus oder in der Nähe haben, wie etwa ihr Film („Le Philosophe“, „Mère Catherine“) oder ihr Commercio.
Die Alba mit 232 Sitzplätzen in ihrem goldenen Kleid und blutroten Plüsch sieht aus wie eine Schmuckschatulle für Filmkunst. Das Publikum fühlt sich in einer Hülle, aus der die Werke fast wie Botticellis Venus das Licht der Welt erblicken. Ursprünglich war es jedoch ein Bühnenhaus: Der Zürcher Architekt Giovanni Zamboni eröffnete das Haus mit trapezförmigem Grundriss 1951 als Hotel mit angeschlossenem Amphitheater (oder umgekehrt) und bot Boulevard-Shows und andere leichte Kost an. Größen wie Annemarie Blanc, Heinz Rühmann traten hier sogar auf und blieben im Haus.
Das nicht subventionierte Theatergeschäft war jedoch defizitär und bald wurde der Saal in ein profitableres Kino umgewandelt, das im November 1958 mit Blake Edwards Komödie This Happy Feeling eingeweiht wurde. Als die Arthouse-Gruppe vierzig Jahre später umzog, wurde sie saniert und die vorhandene Goldtapete in einem aufwendigen Verfahren nach denkmalpflegerischen Vorgaben ersetzt.

Von außen ist dieses Kino mit seinem unscheinbaren Eingang leicht zu übersehen.

Das Alba-Kino erstrahlt in seiner ganzen Pracht, wenn die Wandbeleuchtung eingeschaltet ist.
Ein ebenso ungewöhnlicher Veranstaltungsort ist das 1926 erbaute Uto an der Kalkbreite. Es bietet als einziges Kino der Stadt einen Toilettenzugang direkt vom Saal und für filmische Zwecke einen funktionierenden 35-mm-Projektor. Es hat zwar etwas weniger Sitzplätze als Alba, dafür aber eine befreiende Saalhöhe. Die Art-déco-Elemente sind erhalten geblieben, die alten Ladenfronten und die Steinmetzarbeiten an der Fassade. Dieses Kino ist ein Kind der Roaring Twenties, so alt, dass es die Pionierzeit des Zürcher Kinos repräsentiert.
Architekt Fritz Fischer hatte das Uto als preisgünstiges Unterhaltungsangebot für die Bewohner der umliegenden Arbeiterviertel konzipiert: Die Galerie bot freie Stehplätze, fast wie später ein Fußballstadion, bald wurden lokale Filme gezeigt. Nach diversen Besitzerwechseln wurde es 1968 zum „Studio Uto“ und sein neuer Besitzer Georg Derungs programmierte jahrzehntelang anspruchsvoller. 2013 übernahm die arthouse group, baute eine größere Leinwand und eine neue Beschallungsanlage ein und renovierte es behutsam.
Was ist mit jetzt?
Sowohl Alba als auch Uto bieten ein altehrwürdiges Theater mit einem Ambiente, das Lust auf nostalgisches Kinovergnügen macht. Beide stehen seit 2019 auf der Liste der schützenswerten Gebäude, und nun droht beiden ein ähnliches Schicksal wie einem Kino, das vor 101 Jahren in Seefeld eröffnet wurde: Das 1989 geschlossene Razzia ist heute ein stilvolles Restaurant mit wechselnden Konzepten und gleichermaßen erfolgreich. Und am Standort des ehemaligen Kunstkinos Nord-Süd in der Altstadt wird seit 2019 Pizza und Pasta gekocht.
Einige von denen, die jetzt beim Abschied von Uto und Alba Krokodilstränen vergießen, haben in den vergangenen fünf Jahren vielleicht wenig oder gar nichts getan, um sie auf dem heimischen Sofa zu retten. In beiden Fällen ist unklar, wer oder was eintreten wird. Laut Reginaknongel, Vorstandsvorsitzender der PK Rück, wird der Uto-Saal auch nach der Sanierung des Hauses von „einem Mieter aus dem Kulturumfeld“ mit einem „quartiersfreundlichen Konzept“ gepflegt und genutzt. Mehr kann man im Moment nicht sagen.
Eric Fassbind von der Besitzerfamilie des Hauses Alba, das darin heute als „Swiss Chocolate by Fassbind“ das ehemalige Hotel du Théâtre führt, bedauert auf Nachfrage den Rückzug der Arthouse-Gruppe. Aber es war unmöglich, ihm bessere Bedingungen zu bieten. Inzwischen hat er verschiedene Kinobetreiber aufgesucht, die alle eine Übernahme ausgeschlossen haben. Damit sind die Tage des Alba als Kino wohl gezählt, der Bereich könnte zum Frühstücksraum für Hotelgäste werden. Ein Gespräch über die Denkmalpflege soll in den kommenden Tagen etwaige Auflagen klären, die aber seines Wissens nach die Halle nur geringfügig betreffen.

Hotel am Central mit dem Alba-Kino (um die Ecke) auf einem Foto von 1964.

Alba feiert die alte Kultur des Kinos.
Hotel am Central mit dem Alba-Kino (um die Ecke) auf einem Foto von 1964.
Die Arthouse Commercio Movie AG, die sich seit drei Jahren im Miteigentum der neuen Vertriebs- und Produktionsfirma DCM befindet, könnte bald an einem angesagteren Ort Trost finden. Nach Angaben von Co-Geschäftsführerin Stephanie Candinas besteht zumindest ein gewisses Interesse an einer Übernahme von Kosmos – obwohl der Konzern durchaus prädestiniert wäre, das Kino- und Gastronomiegeschäft aus einer Hand zu führen.
Die SBB als Eigentümerin entscheidet, wer den Zuschlag erhält. Medienberichten zufolge versucht dies die erfahrene Swisscom-Tochter Blue Cinema (ehemals Kitag) in Zusammenarbeit mit Candrian Catering, die tief in der Bahnhofsgastronomie verwurzelt ist. Unter anderem hat sie im Zürcher Hauptbahnhof verschiedene Filialen einer internationalen Burgerkette installiert. Aber man muss nicht immer das Schlimmste befürchten.

1968 startete das Kino Uto unter neuen Eigentümern in eine anspruchsvollere Zukunft.