

Auch der französische König Ludwig XIV. inszenierte seine absolute Macht gerne tänzerisch: Ein Jahr vor seiner glorreichen Krönung verkörperte er als Sonnengott Apollo verkleidet die Sonne im Osten im Zentrum des Planetensystems.
Murielle Schlup / Schweizerisches Landesmuseum
“L’État, c’est moi” ist der, wenn auch nicht bewiesene Ausspruch, den König Ludwig XIV. (1638-1715) im April 1655 vor dem Parlament verkündet haben soll und der zum Leitsatz des monarchischen Absolutismus wurde. Gesagt oder nicht: Ludwig XIV. lebte und verkörperte die zentralistische Machtfusion auf allen Ebenen wie kein anderer vor und nach ihm. Die gesamte französische Hofkultur wurde nur an die Person des unbeschränkten Herrschers angepasst – ein barockes Gesamtkunstwerk, das alle Künste umfasste.
Vor allem der Tanz spielt seit der Hochzeit von Katharina von Medici mit Frankreich im Jahr 1533 eine zentrale Rolle. Männliche Adlige widmeten sich ihm auf der Bühne des Hoftheaters, während auf den vielen Bällen beide Geschlechter im Barock (bzw Schöner Tanz) geübt.
Das Schweizerische Landesmuseum bloggt hier
blog.nationalmuseum.ch
Das Talent zum Tanzen, die Verkörperung der Beherrschung von Körper und Geist, war ein wichtiges Kapital für eine erfolgreiche Karriere am Hof. Dort ging es immer darum, den perfekten Höfling zu „verkörpern“, um die Gunst des Königs zu gewinnen – und zu behalten. Wie der Krieg brachte auch das Tanzen in Paris seine Helden hervor, von denen „einige angeblich in hervorragender Verfassung waren“, wie sich der Historiker und Abt Michel de Marolles in seinen Memoiren erinnert.
Allegorie des siegreichen Reiches
Louis XIV wurde praktisch mit einer Leidenschaft für das Tanzen geboren: Er kam, um seine Geburt zu feiern “Ballett de la Felicite” im Château Saint-Germain für die Aufführung. Tanz spielte in seiner Erziehung eine wichtige Rolle. Angeleitet von den besten Tanzmeistern soll er seinen Stil und Ausdruck jeden Tag geübt haben. Ab 1651 trat er im Hoftheater auf. Dort bewies er mit 14 Jahren auf der Bühne, dass er nicht nur den Balletttanz beherrscht, sondern ihn auch als politisches Instrument sehr gekonnt einsetzen kann.
In den ersten Wochen des Jahres 1653 besiegten königliche Truppen die seit 1648 wütenden “Fronde” – bewaffnete Aufstände gegen den französischen Hof und die französische Regierung. Letztere bestand – statt aus dem noch jungen König – aus der Königinmutter Anna von Österreich und der de facto amtierende Ministerpräsident Kardinal Mazarin, der von Adel und Volk verhasst war.
Zur Feier des Triumphs ließ Ludwig XIV. ein aufwendiges Ballettspektakel in Auftrag geben, das als Allegorie auf die Wiederherstellung von Recht und Ordnung, die Unterwerfung des Adels unter die siegreiche Monarchie, zu verstehen ist. das “Ballett Royal de la Nuit” es war zugleich eine Kriegserklärung gegen Umstürzler aller Richtungen und spielte eine zentrale Rolle bei der Festigung der absoluten Macht des Königs. Sein sensationeller Auftritt in diesem Ballett markiert den Beginn einer ausgeklügelten Propagandamaschinerie, die seine Krönung (1654) und die Proklamation seiner Autokratie (1661) vorhersagte.
Die Uraufführung von “Ballett Royal de la Nuit” fand am 23. Februar 1653 im Königshaus der Stadt Petit-Bourbon in Paris statt. Es war noch kein erzählendes Ballett, wie man es erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts kannte, sondern bestand aus Episodenfolgen mit allegorischen, mythologischen, exotischen und ritterlichen Elementen. Da Ballett damals noch keine eigenständige Kunstform war, begegneten sich Musik, Tanz, Schauspiel, Gesang und Rezitation als kollektives Werk darstellender Kunst.
Die zentrale Botschaft der Inszenierung war, alles zu vereinen: Mit dem Tod Ludwigs XIII., des Königsvaters, brach die Nacht über Frankreich herein. Die Dunkelheit brachte eine Katastrophe (die in der “Fronde” gipfelte), die Ludwig XIV. erfolgreich besiegte und die Nation dank seiner göttlich legitimierten Herrschaft, die Frankreich eine ruhmreiche Zukunft versprach, aus Zeiten der Unsicherheit und zurück ins Licht führte.
Triumphaler Auftritt als Sonnengott
Der König verkörperte dabei sechs verschiedene Rollen “Ballett Royal de la Nuit”: eine Uhr, ein Spiel, ein Betrunkener, ein neugieriger Mann, ein wütender Mann und – in der brillanten Schlussszene – die aufgehende Sonne. In letzterem erschien er als Apollo, der mythologische Gott der Künste und der Sonne. Sein Erscheinen folgte der Szene mit dem Morgenstern, gespielt von “Monsieur”, dem jüngeren Bruder des Königs, und der morgendlichen Aurora, die in ihrem Streitwagen den Tau und die zwölf Stunden des Tages trägt. Sie verließ die Bühne mit folgenden Worten: “Le Soleil qui me suit c’est le jeune LOUIS” (“Die Sonne, die mir folgt, ist der junge LOUIS)”.
Mit Hilfe aufwendiger Spezialeffekte und mechanischer Bühnentechnik des Architekten und Bühnenbildners Giacomo Torelli mit dem Spitznamen „Grand Sorcier“ („großer Zauberer“) wurde der König von einer Art Hebebühne auf die Bühne gehoben. Er betrat die Bühne mit einem strahlenden Diadem und einer kunstvollen Feder. Sein verzierter Anzug, voller Juwelen und Goldstickereien, enthielt durchgehend das Sonnenmotiv. Der König leuchtete und leuchtete im Licht tausender Kerzen. Mit spitzen Absätzen und kleinen Tanzschritten durchquerte er den Raum voller Eleganz und Würde. Seine offenen Arme mit anmutig ausgestreckten Händen unterstützten den scheinbar schwebenden Balanceakt, alles Irdische zu entfernen, als zentraler lebenspendender Stern inmitten des Planetensystems.
Ludwig XIV. wurde von speziell ausgewählten Höflingen und professionellen Tänzern, Sängern und Akrobaten begleitet. Diese repräsentierten unter anderem verschiedene Tugenden – darunter Ehre, Anmut, Mäßigung, Exzellenz und Ruhm. Wie die Planeten kreisten sie auf ihren festen Bahnen um die Sonne – und symbolisierten damit, wie abhängig der Adel von dem unfehlbaren Herrscher war, der allen überlegen war und über alle herrschte.
Geburt des Sonnenkönigs
Unter den begeisterten Zuschauern waren Kardinal Mazarin, der auch der Pate des Königs war, und Königinmutter Anna von Österreich, die sich in ihrer Überzeugung bestätigt gefühlt haben muss, dass die plötzliche Geburt ihres Sohnes bedeutete, dass er ein großes Schicksal hatte: nach drei Abtreibungen in jungen Jahren das Alter. und nach zweiundzwanzig Jahren kinderloser Ehe – das Paar lebte in Zwietracht und daher größtenteils getrennt – wurde Anna im Alter von 37 Jahren plötzlich schwanger und brachte neun Monate später ihr erstes gesundes Kind mit dem lang ersehnten Thronfolger zur Welt.
das “Ballett Royal de la Nuit” Es war ein voller Erfolg und wurde noch sechs Mal wiederholt. Die ikonische Rolle des Sonnengottes war für Ludwig XIV., der fortan seinen beliebten Spitznamen „Der Sonnenkönig“ trug, wie eine zweite Geburt. Seitdem wurde die Sonne zu seinem Lieblingsemblem.
Ludwig XIV. war nicht nur ein aktiver Tänzer und Liebhaber des Hofballetts, sondern auch sein größter Förderer. 1661 rief er an “Academie Royale de la Dance” und machte seinen wichtigsten Lehrer, den Tänzer und Choreografen Pierre Beauchamp, zum ersten Ballettmeister. Auf ihn gehen die fünf bis heute wesentlichen Ballettpositionen zurück. Zusammen mit dem ebenfalls 1669 vom König gegründeten Königliche Musikakademie Später entwickelte sich die Tanzakademie zu einer der wichtigsten internationalen Institutionen der Pariser Oper.
So wurde der Tanz, der zunehmend von Ballettprofis aufgeführt wurde, während der Regentschaft Ludwigs XIV. vom höfischen Zeremoniell getrennt – was dem König entgegenkam: Bald konnte er mit der Professionalisierung nicht mehr mithalten. In der Ballettkomödie von Molière und Jean-Baptiste Lully “Les Amants magnifiques” 1670 zog er sich als Tänzer von der Bühne zurück.
Andere Beiträge aus dem Blog des Nationalmuseums:
Ein Monarch wird gekrönt
Video: srf