
Rachel Kushner – Tough People
Rachel Kushner: Harte Leute. Aufsatz. Aus dem Amerikaner von Bettina Abarbanell. Rowohlt-Verlag Hamburg 2022. 320 Seiten, 26 Euro.
(Foto: Rowohlt-Verlag)
Rachel Kushner schreibt seit zwanzig Jahren überzeugende Essays. Sie sind schwer einzuordnen, sie sind Kunstkritik und Autobiographie. Ihre Sprache schwebt und durchdringt das wiederkehrende Gewaltmotiv, das in Kushners Werk viele Facetten hat. Es tritt bei gefährlichen Motorradrennen auf, bei denen Kushner im Laufe der Jahre zusieht, wie Freunde sterben. Andere verschwinden wie ihre Freundin Sandy oder ein Stricher, dessen Kopf später in einem Mülleimer gefunden wird. Gewalt erlebt Kushner auch im gefürchteten Flüchtlingslager Shuafat in Jerusalem, wo ihn Menschen herzlich und doch bedrohlich begrüßen, weil sie bewaffnet sind. Am Ende überlebte sie ihr wildes Leben.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Testbericht.
Ralf Zerback – Der Triumph der Gewalt. Drei deutsche Jahre von 1932 bis 1934
Ralf Zerback: Der Triumph der Gewalt. Drei deutsche Jahre von 1932 bis 1934. Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2022. 319 Seiten, 25 €.
(Foto: Klett-Cotta)
Im Januar gedenkt Deutschland des 90. Jahrestages des Beginns der NS-Diktatur. Aber die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler war nicht der entscheidende Schritt zur Machtergreifung. Auch die Jahre vor und die Monate nach dem 30. Januar 1933 waren entscheidend für den Untergang der Weimarer Demokratie. Der Historiker Ralf Zerback zeichnet akribisch nach, wie die NSDAP durch das geschickte Zusammenspiel von gesetzgeberischer Repression „von oben“ in Form immer neuer Notverordnungen und gezielter Gewalt „von unten“ gegen die Gewaltenteilung und das Grundgesetz verstieß. Und es zeigt, dass Hitlers sogenannter legaler Weg zur Macht von der großen Mehrheit der Bevölkerung gebilligt und unterstützt wurde.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Testbericht.
Isabel Fargo Cole – Goldküste. Eine Odyssee.
Isabel Fargo Cole: Die Goldküste. Eine Odyssee. naturalistische Serie. Matthes & Seitz, Berlin 2022. 367 Seiten, 38 Euro.
(Foto: Matthes & Seitz)
Ein Blick in die Vergangenheit ist besonders faszinierend, wenn er Vergessenes ans Licht bringt und Verborgenes enthüllt. Isabel Fargo Cole erweist sich in ihrem Essay nicht nur als bemerkenswerte Geschichtenerzählerin, sondern auch als eine, die es schafft, die feinen Sedimentschichten ihrer Familiengeschichte mit dem vergessenen Wissen aus Amerikas Goldgräberzeit zu verbinden. Glücksrittern, darunter auch ihrem Ururgroßvater, wurden falsche Versprechungen gemacht. Sie zogen sich in das Yukon-Territorium zurück, wurden dort ausgeraubt und wurden Opfer einer gigantischen Fälschung, die bis heute als „Goldrausch“ bezeichnet wird und in den USA immer wieder in neuen Formen wiederbelebt wird.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Testbericht.
Mariette Navarro – Jenseits des Meeres
Mariette Navarro: Jenseits des Meeres. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Sophie Beese. Verlag Antje Kunstmann, München 2022. 160 Seiten, 20 Euro.
(Foto: Verlag Antje Kunstmann)
Die endlose Leere an der Oberfläche und der unermessliche Reichtum darunter machen den Ozean zu einer geeigneten Umgebung für Schwingungen. Mariette Navarro wählt ihn für eine charismatische Geschichte: den einsamen Kapitän auf dem Frachter, mächtig. Die Besatzung zappelte hilflos im Ozean. Ein leichter Nervenkitzel liegt über der Landschaft, wenn die Crew nach einem Bad im offenen Meer mit einem zu viel an Deck zurückkehrt. Es ist unmöglich zu sagen, wer es ist, daher passieren unerklärliche Dinge an Bord. Unerklärlich ist auch, was mit dem Vater des Kapitäns geschah, der selbst einen Frachter steuerte und eines Tages mit dem Schiff für eine Woche verschwand. Mariette Navarro fasziniert mit diesem Buch, das glücklicherweise nur die Kapitalismuskritik berührt, anstatt zu versuchen, Denkfiguren zu transhumanisieren.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Testbericht.
Chelsea Manning – README.txt – Meine Geschichte
Chelsea Manning: README.txt – Meine Geschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Kathrin Harlass, Enrico Heinemann, Anne Emmert. Harper Collins, Hamburg 2022. 336 Seiten, 22 Euro.
(Foto: HarperCollins)
Chelsea Mannings Memoiren lesen sich wie ein geschickt geschriebener politischer Thriller, der zu dem militärischen Setting passt, in dem sich die erste von zwei entscheidenden Wendungen abspielt. Als Militäranalyst sieht Manning schreckliche Dinge im Irak, einschließlich Zivilisten, einschließlich Kinder, die im Kampf verwundet oder getötet wurden. Sie kann dies nicht mit ihren Werten vereinbaren und veröffentlicht geheime Dokumente. Als Whistleblower kommt sie ins Gefängnis, wo sie als Häftling eine Hormontherapie beginnt. Das ist der zweite Wendepunkt: dem männlichen Körper zu entkommen, der nicht passt. Trotz des fast distanzierten Stils erzeugt die persönliche Entwicklung ebenso viel Spannung wie politische Umstände.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Testbericht.
Mariano Barbato – Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Scholz
Mariano Barbato: Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Scholz. Campus, Frankfurt am Main 2022. 314 Seiten, 32 Euro.
(Foto: Campus)
Die Bundeskanzlerin hat in Deutschland die Richtlinienkompetenz. Dies wird oft und oft in der Außenpolitik verwendet. Der Politikwissenschaftler Mariano Barbato hat sich in seinem Buch alle Kanzler von Otto von Bismarck bis Olaf Scholz angesehen und ihre außenpolitische Agenda studiert. In diesen 150 Jahren deutscher Außenpolitik gab es viele Rollenwechsel – von Selbstüberschätzung in der Kolonialpolitik über kriminellen Stolz auf den Nazistaat bis hin zu eleganter Zurückhaltung in Weltkonflikten nach 1949. lassen ihn zu folgendem Schluss kommen: Deutschland braucht entweder mehr Macht – oder mehr Demut.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Testbericht.