
Bekämpft das Hungergefühl: Bei übergewichtigen Menschen reagiert das Gehirn nicht mehr auf das appetitzügelnde Insulin. Doch Bewegung kann diese Insulinresistenz umkehren, wie aktuelle Studien zeigen. Nach nur acht Wochen fühlten sich diese Menschen weniger hungrig und verloren Bauchfett. Neue Forschungsergebnisse eröffnen neue Wege zur Behandlung von Diabetes.
Das Hormon Insulin ist nicht nur wichtig für die Regulierung des Blutzuckers, sondern beeinflusst auch unser Gehirn. Es fördert das Sättigungsgefühl und trägt zur Regulierung des Stoffwechsels im ganzen Körper bei. Doch bei Menschen mit Übergewicht arbeitet das Gehirn nicht richtig mit der Botenhülle. Diese Insulinresistenz erhöht den Hunger und fördert die Ansammlung von ungesundem Bauchfett. Besonders schwer fällt es den Betroffenen, langfristig abzunehmen. Es erhöht auch das Risiko für Demenz und Typ-2-Diabetes.
Acht Wochen Touren und Radfahren
Bisher gibt es keine Behandlung, die auf der Wiederherstellung der Insulinsensitivität im Gehirn basiert. „Ob diese Insulinresistenz im menschlichen Gehirn rückgängig gemacht werden kann, ist nicht klar“, sagten Stephanie Kullmann vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung an der Universität Tübingen und Kollegen, die mit ihm zusammenarbeiten. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sich die Insulinreaktion der Körperzellen durch Bewegung wieder verbessern lässt. Bei einigen Patienten mit Typ-2-Diabetes kann regelmäßige Bewegung den Blutzuckerspiegel sogar wieder auf ein normales Niveau bringen.
Hier setzt die Studie von Kullmann und seinem Team an: „Wir wollten wissen, ob körperliches Training auch die Insulinsensitivität im Gehirn beeinflussen kann“, erklären sie. Für ihre Studie verschrieben sie 21 übergewichtigen Testpersonen ein achtwöchiges Trainingsprogramm. Die Teilnehmer absolvierten dreimal pro Woche ein kontrolliertes Ausdauertraining, das aus 30 Minuten Gehen und 30 Minuten kontinuierlichem Radfahren bestand.
Vor Beginn und nach Ende des achtwöchigen Trainingsprogramms ermittelten die Forscher mittels fMRT die Empfindlichkeit von Insulin im Gehirn der Probanden. Dazu spritzten sie sich Insulin in die Nase und konnten beobachten, wie ihr Gehirn auf das Hormon reagierte.

Die Insulinsensitivität ist zurückgekehrt
Ergebnisse: Das Trainingsprogramm verbesserte die Wirkung von Insulin im Gehirn und brachte es wieder auf das Niveau einer normalgewichtigen Person. Das verbesserte den Stoffwechsel der Opfer, reduzierte das Hungergefühl und reduzierte auch das ungesunde Bauchfett. Auch bei kognitiven Leistungstests schnitten die Teilnehmer nach der Trainingsphase besser ab als zuvor.
Eine genauere Analyse ergab, dass die positiven Wirkungen des Trainingsprogramms eng mit der Steigerung der mitochondrialen Aktivität im Muskelgewebe zusammenhängen und möglicherweise auch im Gehirn vorhanden sind. „Menschen mit der größten Verbesserung der mitochondrialen Atmung zeigten eine erhöhte Insulinaktivität im Gehirn“, sagten Kullmann und seine Kollegen. Außerdem schüttet Muskelgewebe während des Trainings Peptide und andere Botenstoffe aus, die den Stoffwechsel des Gehirns beeinflussen können.
Erwarten Sie, übergewichtig zu sein
Diese Ergebnisse deuten laut dem Forschungsteam darauf hin, dass sich Bewegung nicht nur positiv auf Typ-2-Diabetes auswirkt, sondern auch auf die Insulinsensitivität im Gehirn. „Studien deuten darauf hin, dass die Insulinresistenz im Gehirn möglicherweise reversibel ist und ein wirksames therapeutisches Ziel sein kann, um den Stoffwechsel wiederherzustellen, das Körpergewicht zu kontrollieren und unerwünschten Wirkungen entgegenzuwirken.“ so Kullmanns Kollege Martin Heni. Es kann für übergewichtige Menschen von Vorteil sein und ihnen beim Abnehmen helfen.
Der Zusammenhang zwischen Muskelaktivität und Insulinsensitivität im Gehirn muss jedoch durch weitere Forschung geklärt werden. Auch die Frage, wie lange die positiven Effekte von Bewegung auf die neuronale Insulinantwort wirken und ob die Insulinresistenz zurückkehrt, wenn man zu einer sitzenden Lebensweise zurückkehrt, seien offene Fragen, erklärte das Team. (JCI Insight, 2022, doi:10.1172/jci.insight.161498)
Quelle: Deutsches Zentrum für Diabetesforschung