Abschied von den Benin-Bronzen: Die ungewisse Zukunft der Artefakte aus Deutschlands Völkerkundemuseen

Der hat angefangen zu packen. Angepasste Transportkoffer sind in fünf deutschen Museen in Berlin, Sachsen, Hamburg, Köln und Stuttgart erhältlich. In ihnen werden vor Weihnachten etwa 20 der jahrhundertealten Metallgüsse aus dem ehemaligen Königreich Benin in das heutige Nigeria zurückgebracht. Genauere Informationen zu dieser ersten Lieferung wurden noch nicht veröffentlicht, obwohl das Datum der Reise von Außenministerin Annalena Baerbock in die Hauptstadt Abuja und auch, welche der Museumsobjekte mit dem Regierungsflugzeug reisen werden, feststeht.

Nigerias oberster Museumsdirektor, Abba Tijani, hat einen Querschnitt aus fünf Jahrhunderten höfischer Kunstgießerei in diversen Objektgruppen wie Skulpturen, königlichen Gedenkköpfen, Reliefs mit historischen Bildern, Schmuck, Ritual- und Alltagsgegenständen, aber auch einem kleinen ausgewählt Gravur. Elfenbein Maske. Kurz vor der Abreise wird Tijani noch ausstehende Unterschriften der Museumsbehörden – der einzelnen Standorte und der Stadt Köln – sammeln. Lediglich die bundesweite Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin (SPK) hatte zuvor ihr Eigentum an 514 Benin-Artefakten rechtmäßig nach Nigeria übertragen – die weltweit größte Einzelrückgabe außereuropäischer Sammlungsstücke.

Streit zwischen der königlichen Familie und dem Gouverneur

Der damit verbundene beträchtliche materielle Wert und die in vielerlei Hinsicht große Bedeutung der Altertümer, die als „Bronzen von Benin“ internationale Berühmtheit erlangt haben, wecken offensichtlich Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit. Über die genauen Umstände der Rückkehr schweigen sich jedenfalls alle Eingeweihten aus. Einige Museumsbeamte sagen hinter verschlossenen Türen, dass diese erste kleine Lieferung auch ein Test sein wird. Schließlich drohen Anschläge der islamistischen Boko Haram nicht nur im Norden Nigerias. Entführungen machen Reisen durch das Land gefährlich. Blutige Auseinandersetzungen zwischen nomadischen Hirten und Bauern erreichten sogar den zuvor als relativ sicher geltenden Bundesstaat Edo, wo die Benin-Bronzen geboren wurden. Hinzu kommen übertriebene Vorstellungen vom Finanzmotor einer künftigen Dauerausstellung für die Region, die zuletzt zu einem Streit zwischen der königlichen Familie und dem Gouverneur über die Zuständigkeit führten und womöglich auch die Wünsche der Nachbarvölker wecken. die zuvor von den Königen von Benin unterdrückt wurden.

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Politische Vertreter unterschätzen den finanziellen Aspekt der Rückkehr. “Wir glauben nicht, dass es für diese Objekte einen Markt gibt”, sagte Claudia Roths Referatsleiter Andreas Görgen bei einer Sitzung des Kulturausschusses des Bundestages im Oktober. Der Hamburger Senat schätzte den Wert seiner 179 Gebäude in Benin mit 58,7 Millionen Euro realistischer ein als die Berliner Landeskulturbehörde.

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Der Erzbischof von Abuja, Ignatius Kaigama, warnte davor, dass allein der Transport von Bronzen nach Nigeria gefährlich sein könnte. Domradio zitierte ihn bei seinem Besuch der Benin-Bronze-Ausstellung im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum im Oktober 2021 mit den Worten: „Ich möchte nicht, dass diese wertvollen Artefakte verloren gehen. Es besteht ein Risiko, wenn die Rückgabe übereilt erfolgt.“ Allerdings wirkt das aktuelle Verfahren nun überstürzt. Sicherlich will die deutsche Ampelregierung endlich Erfolge vorweisen. Denn die Rückkehr kann medial als im Koalitionsvertrag vereinbarte Aufarbeitung des deutschen Kolonialerbes dargestellt werden. Andererseits könnten die zunehmend ungeduldige nigerianische Regierung und Benins einflussreiches Gericht negative Schlagzeilen für die deutsche Zurückhaltung machen, wenn sich keine konkreten Ergebnisse abzeichnen.

Wo werden die Schätze aufbewahrt?

Ein entscheidender Schritt vor der Übergabe wurde jedoch übersehen: die Schaffung einer Ausstellungsfläche für die zurückgegebenen Schätze. Sie soll seit dem Frühjahr in Benin City, dem ehemaligen Hauptgebiet des Königreichs – der heutigen Hauptstadt des Bundesstaates Edo – gewesen sein. Obwohl Nigeria eigentlich dafür zuständig ist, sagte Außenminister Heiko Maas im Sommer 2021 finanzielle Hilfe zu, als ihm eine nigerianische Regierungsdelegation und der britisch-tansanische Stararchitekt Sir David Adjaye Fassadenentwürfe für ein Museum Edo of West African Art überreichten. (EMOWAA). Sein erster Teil sollte ein Pavillon sein, der das wiedergewonnene kulturelle Erbe der Bevölkerung zeigt.

Erst jetzt bezifferte das Auswärtige Amt auf Nachfrage die Höhe der Bauzuschüsse bis 2024 auf 4,9 Millionen Euro und weitere 1,9 Millionen Euro für Planungsaufgaben. Doch der Grundstein ist noch nicht gelegt. Bei Fragen zum Projekt verweist das Londoner Büro Adjaye an den Kunden – den Heritage Return Fund (LRT). Diese nigerianische Stiftung sammelt in privater Partnerschaft Geld für den Bau, äußert sich aber ebenfalls nicht. LRT kündigte auf seiner Website den Durchbruch für Mitte 2022 an, sodass die geplante Baufertigstellung bereits im nächsten Jahr unrealistisch erscheint.

Da Deutschland bedingungslos zurückkehrt, sollte die nigerianische Seite ihre Pflichten nicht überstürzen. Kritik daran weist der für Kultur zuständige Prinz Aghatise Erediauwa zurück: „Wir werden damit keine Probleme haben Sender Arise News im Jahr 2021. Auch deutsche Museumsdirektoren weisen immer wieder darauf hin, dass nach der Eigentumsübertragung die Verantwortung bei Nigeria läge. Nigeria scheint sich auch für zukünftige Rücksendungen bedeckt zu halten. „Herr Tijani wird uns sagen, was mit den Objekten passiert“, hofft Lars-Christian Koch, Direktor des SPK-Ethnologischen Museums in Berlin. Die deutsche Seite nimmt die Möglichkeit in Kauf, dass die nigerianischen Museumsbehörden die Rückgaben auch an den Palast überweisen. Ab 2019 bestand innerhalb der von der jetzigen Direktorin des Hamburger Museums, Barbara Plankensteiner, gegründeten Benin International Dialogue Group ein Konsens, „ein neues Königliches Museum zu schaffen und zu unterstützen“.

Sklaverei in Benin

Überraschend an dieser Rückkehr ist die einseitige moralische Argumentation. Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte in ihrer Rede zur Unterzeichnung der Absichtserklärung: „Wir erkennen Morde und Plünderungen an, wir erkennen Rassismus und Sklaverei an, wir erkennen Unrecht und Traumata an, die bis heute sichtbare Spuren hinterlassen haben. Sie waren jedoch keineswegs die einzigen Europäer, die von der Sklaverei profitierten. Stattdessen wandten sie sich bestehenden Handelsstrukturen in Westafrika zu.

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Die Herrscher von Benin haben immer wieder Gefangene an arabische Staaten verkauft. Ihr Geschäft war seit dem 16. Jahrhundert aus den Bedürfnissen der transatlantischen Kolonien herausgewachsen. Deshalb sind die Benin-Bronzen so ungeeignet für die moralische Korrektur einer umstrittenen Geschichte. Mit dem Angriff auf Benin City und der Plünderung des Palastes im Jahr 1897 setzten die Briten auch ihr zuvor erlassenes Verbot der Sklaverei durch und beendeten Menschenopfer bei Gerichtszeremonien.

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Bronzen von Benin in Nigeria

Die Leiterin der Restitution Study Group, Deadria Farmer-Paellmann, vertritt die Interessen der Nachkommen von Sklaven in den USA. Auf diese Herkunft vieler Bronzen wies sie Ende August in einem Rundschreiben an verschiedene deutsche Museumsdirektoren und Politiker hin: dass Afrikaner aus benachbarten besetzten Gebieten gegen europäische Kupfer- und Bronzeringe eingetauscht wurden, weil dieses Material für die Massenvernichtung benötigt wurde heute hochgeschätzte höfische Ritualgegenstände. Damit wären die Nachkommen der damaligen Entführten auch moralische Miteigentümer und hätten das Recht, die Zeugen ihrer Geschichte in ihren Museen in Amerika und Europa zu belassen. Daher würden ihre Interessen denen der Erben schwarzer Sklavenhändler nicht unterlegen sein.

MS. Auf ihren Brief erhielt Bäuerin-Paellmann von niemandem eine Antwort. Auf Nachfrage erklärte die Pressestelle des Auswärtigen Amtes: „Die Bundesregierung antwortet grundsätzlich nicht auf öffentliche Schreiben.“

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